Radverkehrskonzept Bochum: Stand der Dinge – Teil II

Seit Januar 2021 lässt die Bochumer Bauverwaltung ein neues Radverkehrskonzept von Ingenieurbüros aus Münster (nts Ingenieurgesellschaft) und Delft (Mobycon) erarbeiten. Vor einiger Zeit fand dazu eine Bürger:innenbeteiligung mit einer Präsentation zum jetzigen Stand statt. Im zweiten Teil unserer Serie erfahrt Ihr mehr über das von der Büros angefertigte Kataster der vorhandenen Radverkehrsführungen.

Ist-Zustand der Bochumer Radwege
Das für das Radverkehrskonzept erstellte Kataster ist eine wichtige Grundlage für das Konzept und die Planung und auch für Nichtexpert:innen aufschlussreich. Allein die Abbildung der Engstellen beispielsweise durch Haltestellen, Schilder, Oberflächenschäden, Baumwurzeln und Kfz-Parken in Bochums Radverkehr macht schwindlig. Die Übersicht der 15 verschiedenen Radverkehrsführungsformen, wie zum Beispiel Fahrradstra oder gemeinsamer Rad-/Fußweg, zeigen was den Radfahrenden in Bochum abverlangt wird. Hinzu kommt, dass die Radverkehrsführungsform teilweise mittendrin wechselt von Einrichtungsradweg in Mischverkehr usw. Das bestätigt, was wir Radfahrer:innen längst wissen: Auf dem Großteil der Straßen in Bochum wird von uns Radfahrenden viel Flexibilität erwartet, häufig bewegen wir uns im Mischverkehr und damit in ständiger Gefahr. Dieses uneinheitliche Bild zeigt sich auch bei der Vielzahl an Beschilderungen.

Beginn einer ERA?

Die von der Stadt beauftragten Ingenieurbüros haben dieses Kataster bewertet, u.a. nach der Eignung der Radverkehrsführungsform nach den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA). Das in Deutschland gültige Regelwerk für die Radverkehrsplanung ist in NRW eingeführt und verbindliche Voraussetzung für die finanzielle Förderung. Dieser Standard wird von Radfahrer:innen teils kritisiert, da er nicht ihrem Sicherheitsempfinden entspricht, z.B. bei dem Abstand von 0,50 m zu parkenden Autos. Das Kataster zeigt auch hier ein buntes Durcheinander: Einige Radwege entsprechen dem ERA-Standard, wenige liegen darüber, viele jedoch sind nicht für diesen Ausbaustandard geeignet. Ein weiteres Bewertungskriterium sind die Breiten und auch hier zeigt sich die bunte Vielfalt. Erfreulich hier: Häufig wird das Regelmaß überschritten, genauso häufig aber sind die Wege rot markiert = Regelmaß unterschritten. Auffällig sind viele weiße Flecken im Radverkehrsnetz, wo es gar keine Radverkehrsführung gibt.

Kritik

Leider ist das Kataster nur visualisiert ohne dazugehöriges Zahlenwerk1, in dem transparent dargestellt wird, wieviel Prozent des Radverkehrs den ERA und dem Breiten-Regelmaß entspricht. Hinzu kommt, dass Bodenbelag und Bodenbelagszustand sowie Sicherheitstrennstreifenbreite zu Fahrbahn, Straßenbahn und Kfz-Parkständen bisher nicht kartiert sind – jedenfalls nicht in der vorliegenden Präsentation. Diese baulichen Merkmale sollen erst in einem zweiten Schritt nach sicherheitsrelevanten Aspekten wie Gefahrenstellen, Radverkehrsunfällen (z.B. durch aufklappende Autotüren/„Dooring“) etc. gewichtet werden. Entweder ist das noch nicht geschehen oder noch nicht veröffentlicht und das obwohl die Fertigstellung des Konzepts dem Zeitplan schon Monate hinterherhinkt. Die jetzige Präsentation wirkt sehr erklärungsbedürftig und lückenhaft. Aus der Verwaltung erfuhren wir auf Nachfrage, dass das Kataster nicht die einzige Grundlage für die Ableitung von Maßnahmen sein könne. Vieles sei noch in der Abstimmung – auch im Rat. Mit der Fertigstellung des Konzepts sei frühestens mit dem Start der neuen Sitzungsperiode, also nach den Sommerferien, zu rechnen. Zur Erinnerung: Das Radverkehrskonzept sollte ursprünglich im März 2022 fertiggestellt werden.

Im dritten Teil unserer Artikel-Serie zum Stand des Radverkehrskonzepts informieren wir Euch über die geplante Hierarchie des Radverkehrsnetzes von der Fahrradstraße über die Veloroute bis zum Radfahrstreifen.

Wer selbst nachlesen möchte, hier ist der Link zur Präsentation des jetzigen Stands: https://www.bochum.de/Tiefbauamt/Radverkehrskonzept

1 Aus einer öffentlichen Antwort der Verwaltung für die Ratssitzung am 21.06.22: Die für das Kataster der Radverkehrsführungen gewählte Erhebungsmethode fußt auf einer Unterscheidung nach Radverkehrsführungsform (Radfahrstreifen, Einrichtungsradweg, Zweirichtungsradweg, gemeinsamer Geh- und Radweg u.a.), Benutzungspflicht und richtungsbezogener Befahrbarkeit. Aus dieser Antwort geht hervor, dass 162 km an Radverkehrsführungsformen jeglichen Baualters (Einrichtungs-, Zweirichtungsradwege, Radfahrstreifen, Schutzstreifen, Fahrradstraßen, gem. Geh- und Radwege im Ein- und Zweirichtungsverkehr) und 198 km Mischverkehrsstraßen (jeglichen Errichtungsdatums) auf dem 392 km langen Erhebungsnetz erhoben worden sind. Laut ERA gelten Mischverkehrsstraßen nicht als Radverkehrsführungsform. Die gesamte Antwort der Verwaltung inklusive der dort verwendeten Definition der Kilometerangabe findet Ihr im Anhang zu diesem Artikel.