Radverkehrskonzept Bochum: Stand der Dinge – Teil III

Seit Januar 2021 lässt die Bochumer Bauverwaltung ein neues Radverkehrskonzept von Ingenieurbüros aus Münster (nts Ingenieurgesellschaft) und Delft (Mobycon) erarbeiten. Vor einiger Zeit fand dazu eine Bürger:innenbeteiligung statt, die Powerpoint-Präsentation ist inzwischen online. Im dritten Teil unserer Artikel-Serie zum aktuellen Stand erfahrt Ihr mehr über die künftige Netzhierarchie und das Konzept der Velorouten.

Netzhierarchie

NTS und Mobycon definieren vier höchste Standards der Radwegeverkehrsführung, die in NRW möglich sind:

1) Fahrradstraßen mit einer (Rest-) Fahrbahnbreite von mindestens 4,5 m zwischen den Borden bzw. zwischen den parkenden Fahrzeugen

2) Fahrradstraßen „light“ mit einer (Rest-) Fahrbahnbreite von mindestens 3,5 m zwischen den Borden bzw. zwischen den parkenden Fahrzeugen als Führungsform

3) Getrennte Geh-und Radwege als Hochbordradweg mit einer Mindestbreite von 2,5 m zzgl. 0,5 m Sicherheitstrennstreifen bzw. 0,75 m

4) Geschützte Radfahrstreifen (Protected Bike Lanes) mit einer Breite von 2,5 m.

Die gute Nachricht: Radschnellwege, Velorouten, Haupt- und Nebenrouten in Bochum sollen mittel- bis langfristig in diesem Vierfach-Standard ausgebaut werden, wobei die Fahrradstraße „light“ nur kurzfristig als Übergang erlaubt sein soll – außer bei den Radschnellwegen, wo sie nicht geplant ist. Bei den niedrigeren Ausbaustandards (gemeinsame Geh- und Radwege, Radstreifen, Schutzstreifen) wird es dann unübersichtlich:
So sind z.B. gemeinsame Geh- und Radwege auf dem Radschnellweg und Velorouten innerorts nicht vorgesehen. Für die Velorouten außerorts und Hauptrouten innerorts sind sie aber „als Übergangslösung in Ausnahmefällen möglich“. Mittel- bis langfristig sollen gemeinsame Geh- und nur noch auf Haupt- und Nebenrouten außerorts sowie auf Nebenrouten innerorts gebaut werden.

Da die Zeitangaben hier sehr vage sind, entsteht der Eindruck, dass die echte Neuaufteilung der Verkehrsfläche in Bochum größtenteils künftigen Generationen überlassen wird. Denn was bedeutet kurz-, mittel- und langfristig und was „Übergangslösungen in Ausnahmefällen“? Ebenso unklar: Was genau sind Haupt- und was Nebenrouten, was bedeutet „innerorts“ und was „außerorts“?

Wie also die selbstgesteckten Ziele für einen höheren Radverkehrsanteil erreicht werden sollen, bleibt völlig offen. Angestrebt wird, den Anteil der mit dem Rad zurückgelegten Wege bis 2030 auf 15% und danach auf 25% zu steigern, so dass insgesamt 60% der Wege mit dem Umweltverbund (Fußverkehr, Radverkehr, ÖPNV) zurückgelegt werden

Velorouten???
Besonders viele Fragezeichen entstehen bei den Velorouten. Diese sollen ergänzend zu den Cityradialen, also den Ausfallstraßen vom Ring zu den äußeren Stadtteilen und abseits der ganz großen Verkehrsachsen ausgebaut werden. Dazu sollen weitgehend vorhandene Straßen und Wege genutzt werden. In der Kartierung sind jedoch nur blaue Korridore für mögliche Velorouten eingezeichnet, ohne dass konkrete Wegeführungen vorgeschlagen werden. Die Velorouten sollen gegenüber den sonstigen Verkehrsachsen bevorrechtigt sein, Autos dürfen nur 30 km/h fahren, weswegen die Ingenieurbüros von einer Reisegeschwindigkeit von
>20km/h für Fahrräder ausgehen. Das ist die Geschwindigkeit eines Radschnellwegs! Zweifel sind mindestens erlaubt, denn die Velorouten führen – soweit das zu erahnen ist – über Nebenstraßen durch Wohngebiete mit vielen Kreuzungen, spielenden Kindern, parkenden Autos etc. Die Frage einer RadEntscheid-Vertreterin, ob die Hauptrouten parallel ausgebaut werden, wurde vom Tiefbauamt bejaht. Somit hätten Alltagsradfahrer:innen die Wahl der Veloroute oder der schnellen Hauptroute – Frage ist natürlich nur, wann was realisiert wird und die tatsächliche Wahlmöglichkeit besteht. Positiv: Die Velorouten sollen asphaltiert werden, adaptive Beleuchtung sowie Betriebs- und Winterdienst erhalten.

Fazit: Es bleiben also viele Fragen offen. Besonders bei der „Übergangslösung“ Fahrradstraße „light“ und bei den Velorouten sehen wir erheblichen Klärungsbedarf und Konfliktpotenziale mit anderen Verkehrsteilnehmern. Die Fahrradstraße „light“ ist lediglich mit einem Fahrradsymbol auf der Fahrbahn markiert, sowie durchlaufendem Band entlang der Straße. An den rot markierten Knotenpunkten sind die Radler:innen bevorrechtigt. Die Auto-Stellplätze bleiben bestehen und werden nicht markiert und die Light-Version hat einen Meter weniger (Rest-)Fahrbahnbreite als die Fahrradstraße (3,5 statt 4,5m zwischen den Borden bzw. zwischen den parkenden Fahrzeugen als Führungsform). Wir fragen uns, was das in der Praxis bedeutet, z.B. für Überholvorgänge. Fragen, die hoffentlich in der Endfassung des Radverkehrskonzepts beantwortet werden.

Im vierten und letzten Teil unserer Artikel-Serie stellen wir Euch die Beispiele der Ingenieurbüros zur künftigen Gestaltung von Fahrradabstellanlagen, Radverkehrsführungen und Knotenpunkten vor sowie die Ergebnisse der zweiten Bürger:innenbeteiligung dazu.

Wer selbst nachlesen möchte, hier ist der Link zur Präsentation: https://www.bochum.de/Tiefbauamt/Radverkehrskonzept