Die Glosse zur Posse – Ein märchenhafter Kommentar

Rotkäppchen und der böse Wolf – Ein Kommentar zur Presseerklärung der Bochumer SPD vom 7.11.2019

Simone Gottschlich – einer der letzten Dinosaurier in der SPD Bochum – vertritt ungebrochen überholte Positionen aus dem letzten Jahrhundert. Als die kleine Simone in Herne geboren wurde, hatte sich die große Nachbarstadt Bochum schon zur Autostadt erklärt und bereits 1962 alle verfügbaren Radwege zu Autoparkplätzen erklärt. Nur fünf Jahre später – die kleine Simone ging noch nicht zur Schule – war der Lack schon wieder ab: Ölkrise, Fahrverbote und unerträglich viele Tote auf den Straßen forderten ein radikales Umdenken. Die Niederlande wandelten sich vom Autoland zur Fahrradhochburg. Simone war elf Jahr alt als Deutschland begann, das A durch ein F zu ersetzen: Der ADFC wurde gegründet und Dortmund war ganz vorne dabei. Ein Jahr später begann der Bochumer Junge Christoph Zöpel als NRW-Minister neue Wege in der Stadt- und Straßenplanung zu gehen. Die vierzehnjährige Simone hatte wohl andere Interessen, als die erste Fassung der späteren Empfehlungen für Radverkehrsanlagen erschien. Christoph Zöpel vergab 1985 – Simone hatte noch keinen Führerschein – das „Pilotprojekt Radwege- und Beschilderungsplan“ nach Bochum, als Einleitung der Verkehrswende und Vorbereitung auf die neue fahrradfreundliche Stadt. Die kleine Simone hat das nicht beeindruckt, bis heute nicht. Die Renaissance des Fahrradverkehrs war in vollem Gang, aber Simone hatte wohl nur ihren Führerschein im Kopf. Als sie 21 Jahre alt war, veröffentlichte die Bundesanstalt für Straßenwesen eine 600 A4-Seiten umfassende „Dokumentation zur Sicherung des Fahrradverkehrs“. Simone war gerade nach Bochum eingewandert und wohl noch Fahranfängerin als auch in Bochum der Widerstand gegen die Vereinnahmung der Straßen durch den Autoverkehr begann. Ein Jahr später erschien ein wegweisendes Buch: „Straßen für alle“ verfasst vonHeiner Monheim und Rita Monheim-Dandorfer. Die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Kreise und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen (AGFS) war schon gegründet und der Radverkehr längst in der RUB angekommen, als Simone dort ihr Studium abschloss. Die junge Simone hat das alles nicht beindruckt, bis heute nicht. Die alleinregierende SPD hatte aber vorsichtshalber schon viel früher Strategien entwickelt, um den Radverkehr von den Vorbehaltsstraßen fernzuhalten. Die bis heute und von Frau Gottschlich besonders hartnäckig an der Wittener Straße verfolgte Strategie der Alternativrouten für den Fahrradverkehr stammt aus dem Generalverkehrsplan von 1979 und wird von Frau Gottschlich bis heute unbeirrt und hartnäckig verteidigt – selbstverständlich nur zum Besten der armen Radfahrer. Sie hält dieses Gespenst aus der Vergangenheit wohl immer noch für ein taugliches Bollwerk gegen Straßen für alle. Frau Gottschlich hatte gerade ihr Studium an der RUB abgeschlossen als die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen in neuer Fassung erschienen, 2010 dann in der dritten Ausgabe, die vierte ist in Vorbereitung. Die Bochumer SPD und – ganz vorn dabei –Simone Gottschlich bekämpfen diese Empfehlungen bis heute als wären sie ein Werk des Teufels. Wenn die Verwaltung sich in ihren Beschlussvorlagen einmal auf die ERA bezieht, dann in der Regel falsch. Ansonsten kommen diese lästigen Empfehlungen nicht vor. Frau Gottschlich lebt wohl bis heute in der Welt der Aromate und Aliphate (ARAL), ihr Herz ist schwarz wie Kohle, Teer und Ruß, obwohl sie erst fünf war, als in Bochum die letzte Zeche dicht machte. Wenn ihr der Sprit ausgeht, hört wohl ihr Herz auf zu schlagen. Frau Gottschlich, es wird Zeit, dass Sie in der Gegenwart ankommen.

Das Schlimme ist, dass Frau Gottschlich in der Pressemitteilung zur Wittener Straße nicht nur für sich selbst, sondern für die ganze Bochumer SPD spricht. Die Bochumer SPD ist also fünf Jahre nachdem in Bochum das letzte Auto gebaut wurde, immer noch genauso fahrradfeindlich wie 1963, als in Bochum das erste Auto gebaut wurde.

Im Märchen werden die Kinder, die dem bösen Wolf zum Opfer gefallen sind, am Ende gerettet. In der Realität bleiben die Opfer des Autoverkehrs die Opfer des Autoverkehrs.

Klaus Kuliga