Neue Radwege in Bochum: Ein Fortschritt mit Schwächen 

Radwende hat die neuen Radwege auf der Hattinger Straße sowie der Königsallee und die Bergstraße, auf der jüngst ein schwerer Unfall geschah, befahren.

Hattinger Straße

Der neue Radweg auf der Hattinger Straße zwischen Königsallee und an der Landwehr stellt eine Verbesserung dar. Dort ist genug Platz für sicheres Überholen auf dem Radweg. Allerdings sind Radwende einige Schwächen aufgefallen, die nicht den seit 13 Jahren geltenden ERA (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen) entsprechen. Demnach sollen Radwege durchgehend 1,5 m breit sein und einen Sicherheitsabstand zu parkenden Autos von 50 cm haben. Der Sicherheitsabstand ist durchgehend zu schmal. Meist liegt er bei 40 cm, was leider enorme Gefahren durch Dooring Unfälle verursacht. Teilweise ist der Abstand aber nur 20 cm und fehlt teilweise völlig.

Die flachen Bordsteine sollen in Teilen der Straße Radfahrende gegenüber Autos schützen. Diese Ausführung empfindet Radwende besser, als auf der Unistraße. In der Praxis muss sich noch zeigen inwieweit nicht dennoch Autos auf dem Radweg parken. Dann müssen Radfahrende den schräg stehenden Trennstein  überfahren. Gerade nicht Ortskundige könnten die Erhöhung übersehen und dadurch stürzen. Problematisch ist die Verengung des Radwegs auf 1,6 m durch den Bordstein (1,8 m sind als Mindestbreite in der ERA gefordert). Gefahrloses Überholen anderer Radfahrer:innen ist dadurch nicht möglich. Auch hier kann es zu Gefahren durch den Bordstein kommen. Zudem dürfte vielen Radfahrern nicht klar sein, dass sie den Trennstein überfahren dürfen und auch gefahrlos können. 
Dieser Trennstein soll die Radfahrenden von den Autos schützen. Er wurde eigens von der Stadt Bochum entworfen.
Sehr problematisch empfindet Radwende die erneut fehlende Einrichtung von Anlieferparkplätzen. Das ist hochgradig dysfunktional. Die Parkplätze sind bisher als Dauerparkplätze angelegt. Die notwendige Anlieferungen der zahlreichen Geschäfte kann dort daher gar nicht ohne Verkehrsverstöße funktionieren. Daher befürchtet Radwende häufiges Zuparken des Radwegs, was eine große Gefahr darstellt. Auch ein Parken auf dem Fußweg ist nicht die Lösung, Radwende konkret beobachten konnte; ein Rollstuhlfahrer kam nur mit Mühen an einem auf dem  Bürgersteig parkenden Auto vorbei.
Linksabbiegen für Radfahrer:innen ist nicht konsequent eingerichtet. Überall ist zwar möglich, dass mutige Radfahrer:innen sich auf die Fahrbahn einordnen. Dies werden viele nicht tun. Eine Aufstellfläche wäre hier sinnvoll. Selber ein indirektes Abbiegen, wie es auch in Kopenhagen häufig ist, fehlt. Diese ist z.B. auf der Kreuzung Bessemer Straße eingerichtet. Besonders ärgerlich ist das bereits in der WAZ berichtete fehlende Linksabbiegen auf der Kreuzung mit der Königsallee. 
Kreuzung an der Hattingerstr. Blickrichtung Oskar-Hoffmann-Str.

Radiale Viktoriastraße / Königsallee

Die Radiale Viktoriastraße / Königsallee ist zentral für den Bochumer Radverkehr. Diese beginnt direkt am künftigen Radkreuz am Rathaus. Hier braucht es also besonders sichere und fehlerresistente Radinfrastruktur. Leider ist hier noch sehr viel zu tun. Auf den ersten 600 Meter gibt es nicht weniger als acht unterschiedliche Radwegführungen stadtauswärts und sechs stadteinwärts. Solch komplexe Verkehrsführung ist für alle Verkehrsteilnehmer:innen verwirrend und sorgt für Gefahren.
Der Radweg auf der Viktoriastraße ist zu Beginn bis Husemannplatz angenehm breit und fast autofrei. Wenn das neue Einkaufszentrum dort im Oktober in Betrieb geht, wird sich in der Praxis zeigen, wie gut es im Alltag funktioniert. Direkt danach wird der Radverkehr ausgebremst, weil ein Vorfahrtschild der Zufahrt aus dem Parkhaus Vorfahrt gewährt. Durchaus ein Novum in Deutschland, ist der Eindruck der Radwende. Radwend hoffen mit dem Ende der Baustelle, wird hier Autospur von einem neu einzurichtenden Radweg.
Nach der Kreuzung spaltet sich der Radweg auf. Ein schmaler Radweg auf dem Gehweg kann benutzt werden, muss aber nicht. 25 Meter beginnt ein neuer breiter Radweg auf der bisher zweistreifigen Viktoriastraße. Das ist erfreulich. Allerdings endet diese Verkehrsführung schon nach 200 Meter. Dann gilt wieder enger alter und holpriger Radweg oder Benutzung der Fahrbahn. Warum der neue Radweg nicht fortsetzbar ist, erschließt sich Radwende nicht. Auch ab der „Alten Hattinger Straße“ wäre problemlos ein breiter Radweg einrichtbar, wenn vier Parkplätze wegfielen oder nach rechts verlegt würden.
Ein Radweg auf einem Gehweg
Viktoriastr. (Höhe Alte Hattinger Str.): der kaputte Radweg direkt neben einem  zu schmalen Bürgersteig birgt Konfliktpotential
Parkplätze, davor zwei Radständer
die Parkplätze an der Viktoria Str. Blick Stadtauswärts. (unverständlich, warum nicht hier auf dem Seitenstreifen der Radweg beginnt)

Ab der Ehrenfeldstraße beginnt ein kurzes Stück Protected Bikelane, das allerdings nicht verpflichtend ist. Es darf auch auf der Fahrbahn gefahren werden. Die meisten Radfahrenden werden es nutzen. Dann aber ist ein Linksabbiegen in den Oskar-Hoffmann-Straße nicht möglich. Hier wäre mindestens eine Aufstellfläche zum indirekten Abbiegen wichtig.

Protected Bike Lane an der Viktoriastr. stadtauswärts. Höhe Clemenstr.
Protected Bike Lane direkt an der Kreuzung. Nachträglich angebrachte Richtungspfeile. Die Lichtzeichenanlage für den Radverkehr separiert zwischen Geradeaus- und Rechtsverkehr.
Richtig problematisch wird es nach der Kreuzung. Geradeausfahrende Radfahrer:innen werden in ein Nadelöhr von 3 Metern zwischen viel frequentierten Haltestelle und Sparkasse geführt wird. Konflikte gibt es hier täglich.
Kreuzung am Schauspielhaus. Blickrichtung stadtauswärts. Deutlich zu erkennen, dass der Radverkehr direkt auf den schmalen Gehweg geführt wird. Weitere Beschilderung fehlt und somit keine Freigabe für den Radverkehr auf dem Gehweg. Diese Engstelle ist konfliktreich.
Danach beginnt ein alter Radweg bis Arnikastraße. Die aktuelle Baustelle auf der Königsallee wird die Situation mit einem breiten Radweg ab Arnikastraße hoffentlich verbessern. Dass Neubau nicht immer Verbesserung heißen muss, zeigen die gerade abgeschlossenen Bauarbeiten ab Wasserstraße. Hier endet der Radweg plötzlich auf dem Bürgersteig mit Engstelle. Radfahren auf der Straße bleibt immerhin erlaubt, was aber zu den bekannten Verwirrungen bei Autofahrer:innen führt. Hier wäre eine Umweltspur oder eine überbreiter Fahrstreifen, wie sie am Südring geplant ist besser.
Königsallee nach der Kreuzung mit der Wasserstraße stadtauswärts. Erneut für der Radweg auf eine gemeinsame Radführung mit dem Fußverkehr.
Teilweise Fahrten auf der Fahrbahn, da nicht genügend Raum für den Radweg vorhanden ist ohne die Leistungsfähigkeit der Straße zu beschränken, laut Stadt.
Königsallee im weiteren Verlauf. Immer wieder gemeinsame Radführung mit dem Fußverkehr.

Stadteinwärts beginnt mit einem großen Fragezeichen. Zwar beginnt schon vor der Kreuzung Wohlfahrtstraße der Radweg, ein Schild sieht den alten Radweg auf dem Bürgersteig aber als verpflichtend vor. Hier sollte die Verwaltung schnell handeln und das alte Schild abbauen. Der Radweg dort ist angenehm, bis auf die auch dort zu schmalen Sicherheitsstreifen. Nachgebessert werden sollten, durch eine Bordsteinabsenkung unter der Brücke des Springorumweges, um eine direkte Zufahrt der Trasse zu ermöglichen.

Königsallee stadteinwärts. Verpflichtender Radweg neben dem Bürgersteig trotz Radweg auf der Straße?
Rechts geht es auf die vielbefahrene Springorum Trasse. Hier fehlt eine Bordsteinabsenkung, um von der Königsallee dorthin abzubiegen.

Die Kreuzung mit der Wasserstraße hat ein indirektes Abbiegen seit dem Umbau vor zwei Jahren. Danach wird wie stadtauswärts aktuell gebaut.

Ab Arnikastraße wird es wieder sehr gefährlich. Hier ist Rasen durch Autofahrer:innen häufig. Es fehlt jegliche Radinfrastruktur. Bis zu Umbauarbeiten werden laut Planungen von SPD und Grünen noch viele Jahre vergehen. Es braucht daher eine pragmatische Zwischenlösung. Diese sieht Radwende in einer Umweltspur bis zur Eisenbahnbrücke. Die Straße ist durchgehend 6,50 m breit. In Düsseldorf wurde genau auf solcher Straßenbreite eine Umweltspur eingerichtet. Warum soll das in Bochum nicht möglich sei? (Genauer steht es in der ERA unter 3.9)

Besonders problematisch ist die Führung auf dem alten schmalen Radweg nach der Kreuzung mit der Oskar-Hoffmann-Straße, der erhebliche Engstellen birgt. Ab Bermudadreieck ist kurz ein eigener Radweg eingerichtet, der nach 100 Metern in der bekannten Konstellation Radfahren auf der Straße oder auf dem engen Radweg. Hier besteht zudem eine hohe Dooringgefahr durch öffnende Beifahrertüren. 
Anzumerken bleibt, dass sämtliche Übergänge zwischen Straße und Gehweg/Radweg nicht ruckelfrei gebaut sind, obwohl die ERA 2010 dies seit Jahren vorgibt. Das gilt auch für die ganz neuen Übergänge.
Bergstraße braucht Tempo 30
Zum Schluss ist Radwende noch über die Bergstraße gefahren. Seit langem fordert Radwende auf der Parallelstraße zur Herner Tempo 30 zwischen Ring und Gudrunstraße. Eingerichtet ist dort fast durchgehend ein gefährlicher Radstreifen ohne Sicherheitsstreifen. Dieser schafft mehr Gefahren als keine Radinfrastruktur. Auf dem Streifen ist das Einhalten eines Abstands zu parkenden Autos (1 Meter sind empfohlen) gar nicht möglich. Daher kam es erst jüngst wieder zu einem Dooring Unfall, bei dem eine Radfahrerin schwer verletzt wurde. 

Gleichzeitig ist die Straße bekannt für enges Überholen mit überhöhter Geschwindigkeit. Tempo 30 und das Entfernen des Radstreifens würde hier mehr Sicherheit und weniger Konflikte ergeben. Die Anwohner:innen freuten sich über weniger Verkehrslärm. Das kann die Stadt sehr einfach machen, indem sie die Bergstraße aus dem Vorangstraßennetz, dass Tempo 50 festschreibt, entfernte und mit acht Tempo 30 Schildern ausstattet. Die Neufestlegung dieses Straßennetzes, auf dem eine Geschwindigkeitsbegrenzung von unter 50 km/h verboten (!) ist, plant die Stadt in Herbst diesen Jahres.

Bergstraße: Das Parken auf dem Gehweg ist teilweise angeordnet. Der Schutzstreifen bietet keinen Sicherheitsraum zu den geparkten Fahrzeugen.
Nochmal ein Bild von der Bergstraße.