Blauer Brief für Bochum – ADFC präsentiert Ergebnisse des Fahrradklimatests 2020

„Versetzung gefährdet, hier ist ein blauer Brief erforderlich!“ So kommentiert der ADFC Bochum das Ergebnis des Fahrradklimatests 2020. Alle zwei Jahre erhebt der ADFC bundesweit für alle Kommunen den Zufriedenheits-Index der Radfahrenden. An der Onlinebefragung in Bochum haben sich 643 BürgerInnen beteiligt. Das Ergebnis hat sich gegenüber der Befragung von 2018 stabil auf unterdurchschnittlichem Niveau gehalten. Als Gesamtnote gibt es eine vier minus, also dringender Handlungsbedarf, dafür hätten manche Eltern ihren Kindern mehr Disziplin und Nachhilfe verordnet.

Im Vergleich zu den 26 Kommunen zwischen 200.000 und 500.000 Einwohnern nimmt Bochum den 16. Rangplatz ein – unteres Mittelfeld. Das darf aber der aufstrebenden Stadt Bochum mit hohen Ambitionen nicht genügen. Die Universitäts- und Wissensstadt muss sich am Spitzenreiter Karlsruhe messen, der ein befriedigend erreicht hat.

In 27 Disziplinen wurden die BürgerInnen nach ihrer Einschätzung gefragt. In nur drei Disziplinen ist Bochum besser eingestuft als die anderen 25 Städte, in 24 Disziplinen liegt sie unter bis weit unter dem Durchschnitt. Das Befragungsergebnis bestätigt das Bild, das die Radfahrverbände ADFC und Radwende seit Jahren kritisieren.

Aber im Einzelnen: In der wichtigsten Kategorie wurde der Stellenwert des Radverkehrs in der Stadt mit der Note 4,6, also fünf plus bewertet und liegt damit unterhalb des bundesweiten Durchschnitts von 4,01. Für 58% der Befragten ist Radfahren in der Stadt eher mit Streß verbunden, 42% geben an, dass Radfahren Spaß macht. Dafür gibt es Gründe. Die Akzeptanz der Radfahrer als Verkehrsteilnehmer wird von 72 % negativ eingeschätzt, nur 27 % fühlen sich akzeptiert. Ein Grund liegt z. B. in der mangelnden Falschparkerkontrolle auf Radwegen. Fünf minus lautet hier die Note, 88% vermissen eine regelmäßige Kontrolle der Falschparker auf Radwegen. Auch bei der Reinigung der Radwege und bei Ampelschaltungen für den Radverkehr schneidet Bochum im bundesweiten Vergleich deutlich schlechter ab. Diese wird von den BürgerInnen mit 71 % bzw. 81 % negativ eingestuft. 84 % der Befragten bemängeln Konflikte mit dem Kraftfahrzeugverkehr, das Sicherheitsgefühl im Stadtverkehr wird von 82 % der befragten BürgerInnen negativ eingeschätzt.
Auffällig im Städtevergleich ist die Bewertung der Erreichbarkeit des Stadtzentrums, hier erreicht Bochum einen der schlechtesten Werte im Vergleich der Großstädte.

Es gibt aber auch drei Bewertungen, die über dem Durchnitt der Vergleichsstädte liegen: Punkten kann Bochum mit der Wegweisung für Radfahrer sowie mit den Leihradsystemen. Auch der Diebstahl von Fahrrädern scheint ein geringeres Problem zu sein im Vergleich zu den übrigen Städten.
Die Befragung 2020 enthielt Zusatzfragen zum Thema Radfahren in der Pademie. Hier gaben 75 % der BochumerInnen eine gestiegene Bedeutung des Radfahrens an. Es wurde mehr gefahren und mehr erkundet: 59 % haben neue Radziele entdeckt. Vermißt wurden von 86 % der befragten BochumerInnen handfeste Radsignale von der Politik. Hier waren beispielhaft gefragt provisorische Popup-Radfahrstreifen, neue Fahrradstraßen, verkehrsberuhigte Zonen, Poller gegen Autodurchfahrten, kostenloser Fahrradverleih etc.

Im Gesamtresümee ist festzustellen, dass nach Einschätzung der befragten BürgerInnen in Bochum kein Fortschritt für den Radverkehr in den letzten Jahren erzielt wurde. „Die aktuell veröffentlichte Unfallstatistik 2020 weist sogar deutlich gestiegene Unfallzahlen mit Rad und Pedelec aus: 313 Rad- und Pedelcfahrer verunglückten 2020. Das sind 70 mehr als 2019 und entspricht einer Zunahme von 29 %. Kein Wunder, dass 82 % der befragten BürgerInnen das Sicherheitsgefühl im Stadtverkehr negativ einschätzen,“ kommentiert der ADFC-Bochum. „Es ist höchste Zeit, dass sich die Stadt den „Sorgenkindern“, wie Polizeidirektor Frank Nows es bei der Präsentation der Unfallzahlen formulierte, annimmt. Nimmt sie ihre Sorgfaltspflicht eigentlich ernst genug?“

Die Stadt Karlsruhe, Spitzenreiter dieser Gruppe, zeigt, dass sie mit ihrem „20-Punkte-Programm zur Förderung des Radverkehrs in Karlsruhe“ von 2005 deutlich das Fahrradklima in der Stadt verbessern konnte. Der strategische Ansatz und der systematische Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur haben sich dort ausgezahlt. Es gibt in Bochum einen erheblichen Nachholbedarf, auch wenn die Bochumstrategie markige Begriffe wie „BOvelo“ kreiert hat und das Thema Mobilität ausgiebig in Bürgerforen diskutiert wurde. Es mangelt bisher an einer klar definierten erkennbaren Umsetzungsstrategie. „Und als einziges Zeichen für den stark zugenommenen Radverkehr in der Corona Pandemie eine Fahrradwaschanlage in der City zu präsentieren, gleichzeitig aber das Parken von Autos in der Innenstadt zu subventionieren ist offensichtlich zu wenig für mehr Sicherheit im Radverkehr und für gute Noten,“ so der ADFC-Bochum.

Weitere Informationen: fahrradklima-test.adfc.de/ergebnisse

Gefährliche Enge auf unzureichenden Radverkehrsführungen mit zu vielen Hindernissen, Fotos: ADFC Bochum, Bernhard Raeder