Umweltrat fordert ökologische Konjunktur­programme und Ausbau der Fuß- und Radverkehrs­infrastruktur

Heute hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) sein Umweltgutachten 2020 vorgestellt. Der sogenannte Umweltrat berät die Bundesregierung schon seit 1972 in Fragen der Umweltpolitik. Er besteht aus Professorinnen und Professoren verschiedener Disziplinen. Insgesamt hat er diesmal ein schlechtes Zeugnis für deutsche Klimapolitik ausgestellt.

Die Videopräsentation kann auf Youtube verfolgt werden.
Die Videopräsentation kann auf Youtube verfolgt werden. Alle Ratsmitglieder und die Bundesumweltministerin Svenja Schulze kommen zu Wort.

„Großangelegte Konjunkturprogramme müssen ökologisch zukunftsfähig sein“, so die SRU-Vorsitzende Claudia Hornberg auf der heutigen Präsentation des Gutachtens. „Es sollte in Lösungen investiert werden, die die umweltverträgliche Entwicklung der Wirtschaft fördern.“

Das Gutachten umfasst 556 Seiten, 91 Abbildungen und 25 Tabellen, besonders interessant ist der Teil Für eine aktive und umweltfreundliche Stadtmobilität: Wandel ermöglichen, der mit folgender Einführung beginnt: „Über die Mobilität der Zukunft wird auch in den Städten entschieden. Eine Mobilitätswende, das heißt die Verlagerung auf den öffentlichen Personennahverkehr sowie Fuß- und Radverkehr, kann zum Klimaschutz beitragen, senkt den Energie- und Flächenbedarf, verbessert die Luftqualität und reduziert die Lärmbelastung. Damit fördert sie auch die Gesundheit und Lebensqualität der Stadtbewohnerinnen und -bewohner. Um eine Verlagerung zu erreichen, ist es erforderlich, die Attraktivität des Umweltverbundes durch den Ausbau der Infrastruktur und die Verbesserung der Qualität zu stärken. Gleichzeitig sollte der motorisierte Individualverkehr verringert werden. Dafür schlägt der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) vor, eine streckenabhängige Pkw- Maut einzuführen und Parkraum konsequent zu bepreisen. Um es den Kommunen zu ermöglichen, den Verkehr nachhaltiger zu gestalten, bedarf es auch einer grundlegenden Reform des Straßenverkehrsrechts. Die Länder sollten die Kommunen außerdem gesetzlich verpflichten, eine integrierte Verkehrsentwicklungsplanung durchzuführen, die regionale Verkehrsverflechtungen einbezieht.“

Unter der Überschrift „6.5.1.2 Fuß- und Radverkehrsinfrastruktur ausbauen“ auf Seite 360 des Gutachtens schreiben die Autoren folgende Handlungsempfehlung für Bund, Länder und Kommunen: „Die Infrastruktur des Fuß- und Radverkehrs muss vor allem in und von den Städten ausgebaut werden. Da hierfür erhebliche Mittel erforderlich sind, sollten Länder und Kommunen eine deutliche Ausweitung der Pro-KopfAusgaben für Fuß- und Radwege vorsehen. Die Ausgaben pro Kopf und Jahr für den Radverkehr liegen in deutschen Städten immer noch im unteren einstelligen Bereich (von 2,30 Euro in München bis zu 5 Euro in Stuttgart), während in den europäischen Vorreiterstädten wie Amsterdam 11 Euro pro Kopf investiert werden, in Kopenhagen sogar 35 Euro (TIEMANN et al. 2018, S. 10). Demgegenüber werden in Deutschland erhebliche Summen für den motorisierten Individualverkehr
aufgebracht.“

Der Stadtverkehr wird seit Jahrzehnten vom Auto dominiert. Die Folgen sind Lärm, Luftverschmutzung, ein wachsender Flächen- und Energieverbrauch sowie hohe Gesundheits- und Umweltkosten. ÖPNV, Fuß- und Radverkehr sollten nach Auffassung des SRU stark ausgebaut werden. Die Novelle der StVO ist für ein Umsteuern noch nicht ausreichend und muss nachgebessert werden. „Eine konsequente Parkraumbewirtschaftung und eine streckenabhängige Pkw-Maut sollten dazu beitragen, einer aktiven und umweltfreundlichen Mobilität in der Stadt Raum zu geben“, sagt Prof. Claudia Kemfert.

tagesschau.de meldet unter der Überschrift Pkw-Maut und höhere Parkgebühren: „Der Sachverständigenrat für Umweltfragen spricht sich für eine Pkw-Maut und teurere Parkgebühren in Städten aus. Dadurch soll der Rad- und Fußverkehr gefördert und der Klimaschutz vorangebracht werden“. Weiter heißt es dort: „Der Rat stellt darin der deutschen Klimapolitik ein miserables Zeugnis aus. Die nationalen Ziele seien zu niedrig, zudem seien sie wiederholt nicht erreicht worden.“

AFP schreibt Umweltrat drängt Bundesregierung zu ökologisch ausgerichtetem Konjunkturprogramm. Die Bundesregierung solle in der Corona-Krise Umweltfragen in den Mittelpunkt ihrer Wirtschaftspolitik stellen.

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zeit.de: Experten fordern Pkw-Maut und höhere Parkgebühren für Anwohner

heise.de: Umweltrat will individuelle Pkw-Nutzung unattraktiver machen

SRU: Pressemitteilung zum Gutachten